43.

Im Verlauf der Entwicklung der Historie wächst nicht nur das Material, es wird nicht nur übersichtlicher und durch verfeinerte Einrichtungen rascher und zuverlässiger zugänglicher, sondern es wird vor allem in sich immer beständiger, d. h. gleichbleibender im Wechsel der Hinsichten, denen es unterstellt wird. Die historische Arbeit wird dadurch immer bequemer, weil nur noch die Anwendung einer neuen Deutungshinsicht im festliegenden Material durchzuführen ist. Die Deutungshinsicht aber bringt die Historie niemals selbst auf, sondern sie ist immer nur der Widerschein der gegenwärtigen Geschichte, in der der Historiker steht, die er aber gerade nicht geschichtlich wissen, sondern schließlich nur wieder historisch erklären kann. Die Auswechslung der Deutungshinsicht aber verbürgt dann für längere Zeit wieder eine Fülle von neuen Entdeckungen, was wiederum die Historie selbst in der Selbstsicherheit ihrer Fortschrittlichkeit bestärkt und sie immer mehr in das ihr eigene Ausweichen vor der Geschichte verfestigt.
(Martin Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) (Gesamtausgabe 65), 152)

Das Sichverständlichmachen ist der Selbstmord der Philosophie.
(Ibid., 435)